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Xerophtalmie

Die Xerophtalmie ist eine schwerwiegende Erkrankung der Augenoberfläche, die durch einen ausgeprägten Vitamin-A-Mangel verursacht wird. Diese Erkrankung führt zu fortschreitender Trockenheit und Schädigung der Hornhaut und der Bindehaut und kann unbehandelt zur Erblindung führen. In Entwicklungsländern zählt die Xerophtalmie zu den häufigsten vermeidbaren Ursachen für Blindheit bei Kindern, während sie in Industrieländern eher selten vorkommt und meist mit spezifischen Grunderkrankungen oder Mangelernährung verbunden ist. Weltweit sind nach Schätzungen der WHO etwa 250.000 bis 500.000 Kinder von Xerophtalmie betroffen. Die Krankheit beginnt meist schleichend mit Nachtblindheit, kann jedoch rasch voranschreiten und irreversible Schäden verursachen. Die frühzeitige Erkennung und Behandlung des Vitamin-A-Mangels ist entscheidend, um das Sehvermögen zu erhalten.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Xerophtalmie hat eine klare Hauptursache, kann jedoch durch verschiedene Umstände begünstigt werden.

Vitamin-A-Mangel

Der Mangel an Vitamin A (Retinol) ist die direkte Ursache der Xerophtalmie. Vitamin A spielt eine zentrale Rolle für:

  • Die Funktion der Sehzellen in der Netzhaut, insbesondere für das Dämmerungssehen
  • Die Integrität und Gesundheit der Schleimhäute, einschließlich der Binde- und Hornhaut
  • Die Produktion von Mucinen, wichtigen Bestandteilen des Tränenfilms
  • Die Immunfunktion und den Schutz vor Infektionen

Der Körper kann Vitamin A nicht selbst herstellen und ist auf die Zufuhr über die Nahrung angewiesen. Es kommt in zwei Formen vor: als fertiges Vitamin A (Retinol) in tierischen Lebensmitteln und als Provitamin A (Beta-Carotin) in pflanzlichen Quellen.

Mangelernährung und Absorption

In Entwicklungsländern ist die Hauptursache für Vitamin-A-Mangel eine unzureichende Ernährung. In Industrieländern spielen hingegen oft Störungen der Aufnahme oder Verwertung von Vitamin A eine Rolle:

  1. Chronische Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Zöliakie
  2. Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse oder Gallenwege
  3. Leberfunktionsstörungen, da die Leber der Hauptspeicherort für Vitamin A ist
  4. Alkoholismus mit begleitender Mangelernährung
  5. Extreme Diäten oder einseitige Ernährung

Besonders gefährdet sind auch Frühgeborene, die mit geringen Vitamin-A-Reserven zur Welt kommen, sowie ältere Menschen mit eingeschränkter Nahrungsaufnahme oder -verwertung.

Weitere Risikofaktoren

Neben direktem Vitamin-A-Mangel können andere Faktoren das Risiko für Xerophtalmie erhöhen:

  • Masern und andere Infektionskrankheiten, die den Vitamin-A-Bedarf erhöhen
  • Protein-Energie-Mangelernährung (Kwashiorkor, Marasmus)
  • Zinkmangel, der die Vitamin-A-Verwertung beeinträchtigt
  • Durchfallerkrankungen, die zu Nährstoffverlusten führen
  • Mangel an Transportproteinen für Vitamin A im Blut

Symptome und Verlauf

Die Xerophtalmie entwickelt sich typischerweise in mehreren Stadien mit zunehmend schwereren Symptomen.

Frühe Anzeichen

Die ersten Symptome der Xerophtalmie sind oft subtil:

  • Nachtblindheit (Nyktalopie) – Schwierigkeiten beim Sehen in der Dämmerung oder bei schlechten Lichtverhältnissen
  • Trockene, schuppige Haut (Follikuläre Hyperkeratose), besonders an Armen und Beinen
  • Leichte Trockenheit der Augenoberfläche
  • Erhöhte Infektanfälligkeit der Schleimhäute

Besonders die Nachtblindheit ist ein charakteristisches Frühsymptom, da die Stäbchenzellen der Netzhaut, die für das Dämmerungssehen verantwortlich sind, besonders empfindlich auf Vitamin-A-Mangel reagieren.

Fortgeschrittene Stadien

Bei anhaltendem Vitamin-A-Mangel schreitet die Erkrankung voran:

  1. Bitot-Flecken – schaumige, weißlich-graue Ablagerungen auf der Bindehaut
  2. Xerosis conjunctivae – ausgeprägte Trockenheit und Trübung der Bindehaut
  3. Xerosis corneae – Trockenheit und beginnende Trübung der Hornhaut
  4. Keratomalazie – Erweichung und Ulzeration der Hornhaut, die zur Perforation führen kann
  5. Narbenbildung auf der Hornhaut mit bleibender Sehbeeinträchtigung oder Erblindung

Die fortgeschrittenen Stadien entwickeln sich oft rasch, besonders bei Kindern, und erfordern sofortige Behandlung, um irreversible Schäden zu vermeiden.

Systemische Manifestationen

Vitamin-A-Mangel betrifft nicht nur die Augen, sondern auch andere Organsysteme:

  • Erhöhte Anfälligkeit für Infektionen der Atemwege und des Verdauungstrakts
  • Verzögerte Wundheilung
  • Gestörtes Wachstum bei Kindern
  • Unfruchtbarkeit bei schweren, lang anhaltenden Mangelzuständen
  • Anämie, oft in Kombination mit Eisenmangel

Diese systemischen Manifestationen können die Prognose zusätzlich verschlechtern und sollten in der Behandlung berücksichtigt werden.

Diagnostik und Behandlung

Die Diagnose der Xerophtalmie basiert auf klinischen Symptomen und kann durch Labortests bestätigt werden.

Diagnostische Verfahren

Folgende Untersuchungen dienen der Diagnosestellung:

  • Ausführliche Anamnese zu Ernährungsgewohnheiten und Grunderkrankungen
  • Augenärztliche Untersuchung mit Spaltlampe zur Beurteilung der Augenoberfläche
  • Bestimmung des Vitamin-A-Spiegels im Blut (Retinol)
  • Prüfung des Dämmerungssehens (Adaptometrie)
  • Bei Verdacht auf Grunderkrankungen: weiterführende Diagnostik

Die WHO hat klare Kriterien für die Diagnose der verschiedenen Stadien der Xerophtalmie definiert, die weltweit als Standard dienen.

Akutbehandlung

Bei akuter Xerophtalmie erfolgt eine hoch dosierte Vitamin-A-Substitution:

  • Orale oder intramuskuläre Gabe von Vitamin A nach WHO-Schema
  • Bei Kindern unter 6 Monaten: 50.000 IE
  • Bei Kindern von 6 bis 12 Monaten: 100.000 IE
  • Bei Kindern über 1 Jahr und Erwachsenen: 200.000 IE

Diese Dosis wird direkt bei Diagnosestellung, am folgenden Tag und nach 2–4 Wochen wiederholt. Bei schweren Formen mit Hornhautbeteiligung kann eine sofortige stationäre Behandlung erforderlich sein.

Langfristige Therapie und Prävention

Nach der Akutbehandlung ist die langfristige Prävention entscheidend:

  • Ausgewogene Ernährung mit vitamin-A-reichen Lebensmitteln:
  • Tierische Quellen: Leber, Eigelb, Butter, Vollfettmilchprodukte
  • Pflanzliche Quellen: orange-gelbes Gemüse und Obst (Karotten, Süßkartoffeln, Mangos), dunkelgrünes Blattgemüse
  • Bei Grunderkrankungen: gezielte Behandlung der Grunderkrankung
  • In Entwicklungsländern: regelmäßige präventive Vitamin-A-Supplementierung für Risikogruppen
  • Aufklärung über ausgewogene Ernährung und Anreicherung von Grundnahrungsmitteln mit Vitamin A

In Regionen mit hoher Prävalenz haben präventive Programme zur Vitamin-A-Supplementierung die Häufigkeit von Xerophtalmie und kindlicher Sterblichkeit deutlich senken können.

Die Xerophtalmie ist eine ernste, aber vermeidbare Erkrankung. Durch frühzeitige Erkennung, konsequente Behandlung und präventive Maßnahmen kann das Sehvermögen in den meisten Fällen erhalten werden. Besonders in Entwicklungsländern bleibt die Bekämpfung des Vitamin-A-Mangels eine wichtige Aufgabe des öffentlichen Gesundheitswesens.