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Gonioskopie

Die Gonioskopie ist eine spezielle augenärztliche Untersuchungsmethode, mit der der Kammerwinkel des Auges beurteilt werden kann. Dieser Winkel, der zwischen Hornhaut und Iris liegt, ist für den Abfluss des Kammerwassers und somit für die Regulation des Augeninnendrucks entscheidend. Da der Kammerwinkel anatomisch nicht direkt einsehbar ist, bedarf es spezieller Kontaktgläser und einer Spaltlampe, um ihn zu untersuchen. Die Gonioskopie spielt eine zentrale Rolle bei der Diagnose und Verlaufskontrolle verschiedener Formen des Glaukoms (Grüner Star) sowie bei der Beurteilung von Verletzungen oder Fehlbildungen im vorderen Augenabschnitt. Als schmerzarmes und risikoarmes Verfahren gehört sie zu den Standarduntersuchungen in der Augenheilkunde und liefert wichtige Informationen, die durch andere Untersuchungsmethoden nicht zu gewinnen sind.

Grundlagen und Funktionsweise der Gonioskopie

Um die Bedeutung und den Ablauf der Gonioskopie zu verstehen, ist ein grundlegendes Wissen über die Anatomie des vorderen Augenabschnitts hilfreich.

Anatomie des Kammerwinkels

Der Kammerwinkel befindet sich am Übergang zwischen der klaren Hornhaut und der farbigen Regenbogenhaut (Iris). In diesem Winkel liegt das Trabekelwerk – eine Art Filterstruktur, durch die das Kammerwasser aus dem Auge abfließt. Von dort gelangt es in den Schlemm-Kanal und wird schließlich in die Blutbahn abtransportiert.

Bei einem gesunden Auge ist der Kammerwinkel weit offen, was einen ungehinderten Abfluss des Kammerwassers ermöglicht. Ist der Winkel jedoch verengt oder verschlossen, kann das Kammerwasser nicht richtig abfließen, was zu einem Anstieg des Augeninnendrucks führen kann. Ein chronisch erhöhter Augeninnendruck ist der Hauptrisikofaktor für die Entstehung eines Glaukoms, das unbehandelt zur Erblindung führen kann.

Technische Durchführung

Die Gonioskopie wird mithilfe spezieller Kontaktgläser durchgeführt, die auf die betäubte Hornhaut aufgesetzt werden. Diese Gonioskopielinsen enthalten Spiegel oder Prismen, die das Licht so umlenken, dass der Augenarzt den Kammerwinkel indirekt einsehen kann.

Es gibt zwei grundlegende Arten der Gonioskopie:

  • Die direkte Gonioskopie mit einer Koeppe-Linse, bei der das Auge in liegender Position untersucht wird
  • Die häufiger durchgeführte indirekte Gonioskopie mit Spiegellinsen (nach Goldmann, Zeiss oder Posner), die an der Spaltlampe im Sitzen erfolgt

Bei beiden Methoden wird ein Kontaktgel oder eine visköse Lösung verwendet, um den Kontakt zwischen Linse und Hornhaut herzustellen. Die Untersuchung ist schmerzlos, verursacht jedoch manchmal ein leichtes Fremdkörpergefühl.

Bedeutung und Anwendungsgebiete

Die Gonioskopie liefert wichtige diagnostische Informationen, die für die Behandlung verschiedener Augenerkrankungen entscheidend sein können.

Glaukomdiagnostik

Die wichtigste Anwendung der Gonioskopie liegt in der Diagnostik und Klassifikation verschiedener Glaukomformen. Basierend auf dem Erscheinungsbild des Kammerwinkels kann der Augenarzt zwischen einem Offenwinkelglaukom und einem Winkelblockglaukom unterscheiden:

  • Bei einem Offenwinkelglaukom ist der Kammerwinkel anatomisch offen, der Abflusswiderstand liegt jedoch im Trabekelwerk selbst. Diese Form entwickelt sich meist langsam und schmerzlos.
  • Bei einem Winkelblockglaukom ist der Winkel verengt oder verschlossen, was zu einem plötzlichen und starken Anstieg des Augeninnendrucks führen kann. Ein akuter Winkelblock ist ein augenärztlicher Notfall, der sofortiger Behandlung bedarf.
  • Die Gonioskopie kann auch Hinweise auf ein Pigmentdispersionsglaukom (durch Pigmentablagerungen im Trabekelwerk) oder ein Pseudoexfoliationsglaukom (durch Ablagerung von weißlichem Material) geben.

Weitere Anwendungsgebiete

Neben der Glaukomdiagnostik wird die Gonioskopie auch für folgende Untersuchungen eingesetzt:

  • Beurteilung nach Augenverletzungen, um Schäden am Kammerwinkel oder Fremdkörper zu erkennen
  • Diagnose von Tumoren oder Gefäßanomalien im Bereich des Kammerwinkels
  • Kontrolle nach bestimmten Augenoperationen
  • Beurteilung angeborener Anomalien des vorderen Augenabschnitts

Bei bestimmten Erkrankungen, wie dem Iridokornealendothelialen (ICE) Syndrom oder dem Axenfeld-Rieger-Syndrom, liefert die Gonioskopie charakteristische Befunde, die für die Diagnose entscheidend sein können.

Befunderhebung und Interpretation

Die Beurteilung des Kammerwinkels erfordert Erfahrung und ein systematisches Vorgehen.

Bewertungskriterien

Bei der Gonioskopie werden verschiedene Aspekte des Kammerwinkels beurteilt:

  • Die Weite des Winkels (eng, mittel oder weit)
  • Die Sichtbarkeit der einzelnen Strukturen (Sklerasporn, Trabekelwerk, Schwalbe-Linie)
  • Das Vorhandensein von Synechien (Verklebungen der Iris mit der Hornhaut)
  • Pigmentierung und Ablagerungen im Trabekelwerk
  • Neubildung von Blutgefäßen (Neovaskularisation)

Die Befunde werden häufig nach Klassifikationssystemen wie der Shaffer- oder Spaeth-Klassifikation dokumentiert, die eine standardisierte Beurteilung der Winkelweite ermöglichen.

Dynamische Gonioskopie

Eine wichtige Erweiterung der Standarduntersuchung ist die dynamische Gonioskopie, bei der durch leichten Druck auf die Gonioskopielinse beurteilt wird, ob ein enger Kammerwinkel durch Appositionen (vorübergehende Aneinanderlagerungen) oder durch Synechien (dauerhafte Verklebungen) verursacht wird.

Appositionen lassen sich durch Druck auf die Hornhaut öffnen, während Synechien fixiert bleiben. Diese Unterscheidung ist therapeutisch bedeutsam, da Appositionen durch eine Iridotomie (Erzeugung einer kleinen Öffnung in der Iris) behandelt werden können, während Synechien häufig eine komplexere Behandlung erfordern.

Vor- und Nachteile der Untersuchung

Die Gonioskopie bietet als spezialisierte Untersuchungsmethode spezifische Vorteile, aber auch einige Einschränkungen.

Vorteile

  • Direkte Visualisierung des Kammerwinkels, die durch keine andere Methode so detailliert möglich ist
  • Hohe diagnostische Aussagekraft bei verschiedenen Glaukomformen
  • Schmerzarme und risikoarme Untersuchung
  • Kein Einsatz von Strahlung oder invasiven Verfahren

Einschränkungen und Alternativen

Die Gonioskopie erfordert einen direkten Kontakt mit dem Auge, was bei bestimmten Hornhauterkrankungen oder nach frischen Operationen problematisch sein kann. Zudem hängt die Qualität der Untersuchung stark von der Erfahrung des Untersuchers ab.

Als ergänzende oder alternative Verfahren werden zunehmend bildgebende Techniken wie die Vorderabschnitts-OCT (Optische Kohärenztomographie) oder der Ultraschall-Biomikroskopie eingesetzt. Diese Verfahren ermöglichen eine kontaktlose Beurteilung des Kammerwinkels und liefern objektive, dokumentierbare Bilder. Sie ersetzen die Gonioskopie jedoch nicht vollständig, da die direkte visuelle Beurteilung durch den erfahrenen Untersucher weiterhin Goldstandard bleibt.